Solares Bauen und Sanieren

Solararchitektur

1. Orientierung zur Sonne

Damit die Sonne best möglich genutzt werden kann, muss die Solararchitektur und die Gebäudeorientierung so geplant werden, dass sie zu allen Jahreszeiten dem Sonnenstand und der jeweiligen Solaranwendung gerecht wird. Im Winter steht die Sonne am tiefsten (Sonnenstand 15°…30°), sie geht im Südosten auf und im Südwesten unter. Während dieser Zeit nutzt gute Solararchitektur die Sonneneinstrahlung aktiv und passiv optimal für die Raumheizung. Verschattungsfrei sollen die Sonnenstrahlen möglichst senkrecht auf die Kollektoren treffen und durch die Fenster tief in die Räume dringen. Gelungene Solararchitektur bedeutet, daß die Südabweichung der Gebäude-Längsseite (Traufseite) nicht mehr als 30° betragen sollte. Im Sommer, bei hohem Sonnenstand, tragen steil geneigte Kollektoren und konstruktiv verschattete Fenster zur Vermeidung unerwünschter Überhitzung der Solaranlage und der Räume bei.

Solararchitektur Gebäude

Mehr Freiheiten in der Solararchitektur gestattet die Orientierung und Neigung der Photovoltaik-Module. Denn elektrischer Strom, soweit er nicht für die Raumheizung genutzt wird, wird das ganze Jahr über verhältnismäßig gleichmäßig verbraucht. Darüber bedeutet energetisch effektive Solararchitektur vor allem im Sommer, daß überschüssiger Solarstrom für die Elektromobilität und die Einspeisung ins öffentliche Netz genutzt werden kann. Etwas flachere Neigungswinkel als bei der Solarthermie sind hier also sogar sinnvoll, und größere Südabweichungen wirken sich weniger negativ aus. Zum Beispiel eignen sich Photovoltaik-Module gut für ein Schleppgauben-Dach oder als Vordach beziehungsweise Verschattungselement in der Südfassade:

Solararchitektur Schleppgaube

2. Gebäudegeometrie in der Solararchitektur und zweckmäßige Anordnung der Solarmodule

Die Minimierung der wärmeübertragenden Gebäudehüllfläche durch einen kompakten Baukörper (günstiges A/V-Verhältnis) gehört zu den wichtigen Grundprinzipien des energiesparenden Bauens. Sonnenhäuser generieren jedoch Energie über südorientierte Fassaden- und Dachflächen. Deshalb ist hier die Minimierung der Hülle alleine nicht zielführend. Vielmehr geht es darum der tief stehenden Wintersonne eine möglichst große „Angriffsfläche“ zu bieten:

Solares bauen und Solararchitektur
Zu einem kompakten Baukörper gehört auch die Vermeidung von nicht  (oder nur bedingt) zu Wohnzwecken nutzbaren „Todvolumen“, soweit dies mit den architektonischen Erfordernissen in Einklang zu bringen ist. Ausreichend belichtete Räume und andere Wohnbedürfnisse der Menschen haben im Zweifelsfall Vorrang vor übergroßen oder ungünstig platzierten Solarkomponenten.
Kollektorneigung in der Solararchitektur

Wenn die baurechtlichen Voraussetzungen für eine wenigstens 35° geneigte Süddachfläche gegeben sind, bietet sich eine Dachintegration der Kollektoren (In-Dach-Montage) an. Der Kollektor ersetzt dabei  die Dacheindeckung und ist vor Witterungseinflüssen bestmöglich geschützt. Die Verrohrung erfolgt unsichtbar im oder unter dem Kollektor. Auch eine Photovoltaikanlage kann dachintegriert in das Solarfeld einbezogen werden.

Bei Häusern mit flach geneigten Dächern werden die Kollektoren entweder steiler angestellt oder durch Fassadenkollektoren ergänzt, soweit diese neben den Fenstern noch Platz finden und im Winter nicht verschattet werden. Bei mehrstöckigen Mehrfamilienhäusern bietet die Fassade oft mehr Platz für Kollektoren als auf dem Dach, dessen Fläche nicht immer ausreicht um Sonnenhaus-Standard zu erreichen.

Anstelle der freien Aufständerung auf flach geneigten Dächern kann auch die Dach-Nordseite in Richtung Süden verlängert werden, wodurch sich eine Möglichkeit ergibt die Kollektoren sehr steil und gut witterungsgeschützt anzustellen:

Eine zweckmäßige Variante ist die Kombination Pultdach mit schräg gestellten Fassadenkollektoren:

3. Solararchitektur und die Unterbringung des Solarspeichers

Grundsätzlich gilt: Ein kleiner Speicher im Haus ist besser als ein großer im Garten (Erdboden oder Anbau), wo die Abwärme gänzlich verloren geht. Andernfalls muss er in einer hochwertigen, feuchteunempfindlichen  und durchdringungsfreien Isolierhülle eingepackt sein. Auch Speicher mit Vakuumdämmung sind hier eine Option.

Bei Einfamilienhäusern mit solaren Deckungsgraden zwischen 50 und 70 % sind normalerweise Speichergrößen zwischen 5 m³ und 9 m³ ausreichend. Für eine gute Temperaturschichtung ist eine schlanke Bauform dienlich; die Behälterhöhe sollte wenigstens das Zweifache des Durchmessers betragen.
Deshalb reichen diese Speicher in der Regel über zwei Stockwerke. Die obere, in den Wohnbereich ragende Hälfte wird dann ummauert, und kann somit als Gestaltungselement im Wohnraum integriert werden. Die Rohranschlüsse werden innerhalb der mindestens 20 cm dicken Dämmung nach unten geführt.
Der untere Speicherbereich im Technikraum des Untergeschoßes sollte möglichst zugänglich bleiben. Dort können die Pumpengruppen und Armaturen auch direkt am Speichermantel montiert werden.
Eine weitere Möglichkeit, besonders bei Häusern ohne Keller, ist den Speicher frei zugänglich in eine partielle Bodenvertiefung zu stellen.
SH-Birnbeck-A-Innen-SpeicherUnterbringung Solarspeicher

In Bestandsgebäuden ist die Einbringung eines großen Speichers häufig ein Problem. Er wird dann in Einzelteilen geliefert und vor Ort zusammengeschweißt. Die Alternativen sind entweder ein Mehrspeichersystem, oder die Unterbringung außerhalb des Gebäudes.

4. Passive Sonnenenergienutzung

Sonnenlicht durchdringt die Glasscheiben und wird beim Auftreffen auf die Innenflächen des Gebäudes in Wärme umgewandelt. Massive Decken, Wände und Böden können diese Wärme über viele Stunden speichern und tragen so auch durch Dämpfung der Temperatur-Amplituden zu einem ausgeglichenen Raumklima bei. Allerdings sind im Wesentlichen nur die Materialeigenschaften der raumseitigen Bauteilschichten für die Speicherfähigkeit wirksam.

Transparente Bauteile versorgen also das Gebäudeinnere mit Licht und Wärme, stellen jedoch im Winter auch Wärmeverlustquellen und relative Kaltflächen im Raum dar, wenn die Sonne nicht scheint: Selbst der U-Wert eines Dreifach-Wärmeschutzglases ist etwa vier bis fünfmal so hoch wie der einer gut gedämmten Außenwand. Es kommt also bei der Bemessung der Fensterflächenanteile auf das richtige Maß und die richtige Orientierung an.

Nur Südfenster mit Wärmeschutzglas weisen unterm Strich eine deutlich positive Jahresenergiebilanz auf. Zu groß dimensionierte Glasflächenanteile überfordern andererseits die Speicherfähigkeit des Gebäudes. Dies gilt besonders für große Ost- und Westfenster, die im Sommer und während der Übergangszeiten erheblich zur Überhitzung der Räume beitragen, was bestenfalls durch aktiven Sonnenschutz zu verhindern ist. Bei steilem Sonnenstand im Sommer sind die südausgerichteten Fenster weniger stark belastet, da ein Großteil der Strahlung an der Glasoberfläche reflektiert wird. Sie lassen sich auch während der Sommermonate wirksam durch Dachvorsprünge, Balkone oder an der Fassade angebrachte Solarmodule konstruktiv verschatten. Aus energetischer Sicht wären für Wohngebäude mit guten Speichereigenschaften folgende Fensterflächenanteile (Rohbaumaß) sinnvoll:
Südfassade: 22 bis 30%;  Ost und Westseite je 8 bis 14%; Nordseite 4….8 %.

Die passiven solaren Gewinne sind – ebenso wie die aktiven – von der Sonnenstundenzahl im Winter, also auch vom Klimastandort abhängig. In Hochlagen mit viel Wintersonne kann während der Heizperiode pro qm mehr als 100 kWh Netto-Energieertrag geerntet werden. Die Jahresausbeute von Fassadenkollektoren liegt jedoch um das zwei bis dreifache höher. Zudem kann in der Übergangszeit ein entsprechend dimensionierter Wassertank mehr Energie speichern als das Gebäude in Kombination mit passiver Sonnenenergienutzung. Deshalb geht es bei der Fassadengestaltung auch darum den passiven und aktiven Solarnutzungsanteil zu optimieren.

5. Wärmetechnische Anforderungen an die Gebäudehülle

Die wichtigste Voraussetzung für einen niedrigen Heizenergieverbrauch und einen hohen solaren Deckungsanteil ist ein guter Wärmeschutz der Außenbauteile inklusive einer wärmebrückenarmen (und weitgehend luftdichten) Baukonstruktion. Kenngröße hierfür ist der spezifische Transmissionswärmeverlust H’T. Für neu gebaute Sonnen-Wohnhäuser soll der H‘T des EnEV-Referenzgebäudes um wenigstens 15% unterschritten werden, was derzeit dem „KFW-Effizienzhaus 70“ entspricht. Der spezifische (auf die Gebäudenutzfläche bezogene) Heizwärmebedarf liegt dann unter 45 kWh/m²a. Bei Sanierungen im Gebäudebestand sind grundsätzlich höhere Hürden bei der praktischen Umsetzung zu überwinden, insbesondere was die Wärmebrückendetails und die erdberührenden Bauteile angeht. Hier empfiehlt das Sonnenhaus-Institut, den H‘T  des Referenzgebäudes um nicht mehr als 15% zu überschreiten (entspricht dem „Effizienzhaus 100“- Standard ).

Die folgenden U-Werte können für Sonnenhäuser als erste Orientierung dienen:
– Außenwand: 0,16 .. 0,23 W/m²K
– Dach: 0,14…0,18 W/m²
– Erdreich berührende Bauteile und Decken gegen unbeheizten Keller: 0,20 ..0,33 W/m²K
– Fenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung: Uw = 0,8…1,0 W/m²K

Natürlich sind noch bessere U-Werte keineswegs „verboten“. Jedoch geht es auch um einen wirtschaftlich vernünftigen Kompromiss zwischen mehr Dämmung oder mehr Solarthermie.
Zum Thema „Effiziente Balance zwischen Dämmung und Solarthermie“ finden Sie eine interessante Studie im Downloadbereich.

Bauweisen:  Beim Bau eines Sonnenhauses hat man alle Freiheiten, was die Bauweise anbelangt. Es gibt gute, aber oft auch weniger fundierte Argumente für die ein oder andere Bauweise, die aber dann ganz allgemein gelten. Vieles spricht auch für Mischbauweisen (nach dem Motto: „außen gut dämmen, innen gut speichern“).

Neben den wärmetechnischen Eigenschaften sind bei der Auswahl und Bemessung der Baustoffe auch deren Ökobilanz, sowie bauphysikalische und wohnklimatische Kriterien beachtenswert.

6. Minimierung der Lüftungswärmeverluste

Je besser die Gebäudehülle gedämmt ist, umso mehr fallen die Lüftungswärmeverluste ins Gewicht. In den Normberechnungsverfahren der EnEV werden sie jedoch durch den verhältnismäßig hoch angesetzten Luftwechsel im Vergleich zur Praxis überbewertet, ebenso wie auf der anderen Seite der Effekt einer Wärmerückgewinnung bei mechanischer Lüftung. Mit diszipliniertem Lüftungsverhalten der Bewohner halten sich die Wärmeverluste durch freie Fensterlüftung in vernünftigen Grenzen. Intensiver (quer-)gelüftet wird ohnehin hauptsächlich nur dort, wo sich Personen aufhalten, wo Feuchte entsteht, und wo aber eben auch gleichzeitig erhöhte innere Wärmegewinne auftreten, die diese Lüftungswärmeverluste zum Großteil wieder ausgleichen.

Dennoch muss sich der Gebäudeplaner grundsätzlich über ein Lüftungskonzept Gedanken machen. Denn bei der heute geforderten luftdichten Bauweise reicht die Fugenlüftung (Infiltration) alleine in der Regel nicht aus, um kritisch hohe Luftfeuchten sicher und dauerhaft zu vermeiden. Bei der Entscheidung für eine natürliche oder mechanische Lüftung spielt  nicht zuletzt die Beurteilung des zu erwartenden Nutzerverhaltens eine wichtige Rolle, aber auch die Bauweise und die individuellen Bedürfnisse der Bewohner (siehe Kapitel 7).

Eine kontrollierte Wohnraumlüftung (zentral oder dezentral) kann einen Komfortgewinn darstellen und hygienische Vorteile bringen, aber nur dann, wenn sie regelmäßig gewartet wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass Fenster bei störendem Straßenlärm geschlossen bleiben können. Im Mietwohnungsbau ist eine mechanische Lüftung generell zu empfehlen.

Was die energetische Seite anbelangt, wirken sich Lüftungsanlagen mit Wärmegewinnung im Sonnenhaus unterm Strich eher negativ aus, da zwar der Lüftungswärmeverlust mehr als halbiert werden kann, der  Stromverbrauch der Ventilatoren aber primärenergetisch entsprechend negativ zu Buche schlägt. Schon gar nicht sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden Heizkonzeptes wie beim Passivhaus.

Zur Sicherstellung des Mindest-Luftwechsels kommen auch Low-Tec-Alternativen in Frage, die mit wenig Stromverbrauch auskommen:

Die feuchtegeführte Zu- und Ablaufelemente erfassen die relative Raumluftfeuchte und regelt automatisch den Öffnungsquerschnitt des Elementes – ganz ohne externe Hilfsenergie. Dabei ändern Bänder aus speziellem Material feuchteabhängig ihre Länge und betätigen Klappen, die sich mehr oder weniger öffnen. Ergänzt wird das System durch einen Unterdruckgesteuerten Abluftventilator mit geringer Leistung.

7. Wohnklima

Sowohl das Heizsystem als auch die  Baustoffe (und hier besonders die raumseitigen Bauteilschichten) haben große Auswirkungen auf die Wohnqualität.

Die wichtigsten Einflussfaktoren für ein angenehm empfundenes und gesundes Wohnklima sind folgende:

  • Die Raumtemperatur und hier vor allem die Oberflächentemperatur der Umschließungsflächen (hoher Strahlungsanteil bei geringer Luftbewegung)
  • die Luftfeuchtigkeit (als ideal gilt eine relative Luftfeuchte von 50%)
  • Gerüche
  • Versorgung mit Tageslicht, Lichtführung
  • architektonische Qualität der Raumgestaltung

Das Wärme- und Kälteempfinden ist nicht bei jedem Menschen gleich, aber es gibt allgemeine Gesetzmäßigkeiten. So wird zum Beispiel Kältestrahlung und Zugluft als besonders unangenehm empfunden. Mitentscheidend für ein angenehmes Wohnklima sind deshalb sogenannte raumwarme Oberflächentemperaturen. Im Idealfall entspricht die mittlere Oberflächentemperatur der Umschließungsflächen mindestens der Raumlufttemperatur. Im entgegen gesetzten Fall würde eine als unangenehm empfundene Luftzirkulation entstehen und der menschliche Körper Wärme durch Abstrahlung an kalte Außenbauteile abgeben, die als „Kältestrahlung“ empfunden wird. Außenbauteile sind dann warm, wenn sie gut Wärme gedämmt sind, oder sogar zusätzlich aktiv temperiert werden (Flächenheizung / Bauteilaktivierung). Einen – freilich geringeren – Einfluss haben auch die raumseitigen Verkleidungen, Beschichtungen oder Bodenbeläge. Sind diese aus „berührungswarmem“ (will heißen schlecht wärmeleitendem) Material, wird dies als angenehm empfunden. Große zusammenhängende Glasflächen dagegen, selbst Wärmeschutzglas, werden als relative Kältezonen wahrgenommen. Hier können nur passend angeordnete Heizflächen bis zu einem gewissen Grad Ausgleich schaffen.

Das Heizsystem sollte raumweise regelbar sein und nicht zu träge auf Temperaturänderungen reagieren. Sonnenhausbewohner schätzen es besonders, komfortable Raumtemperaturen ohne latenten  „Sparzwang“ genießen zu können.

Im Sommer und an Sonnentagen während der Heizperiode kommt es auf eine gute Wärmespeicherung an. So werden passive Solarwärmegewinne besser genutzt, und tagsüber hohe Temperaturausschläge gedämpft. Die gespeicherte Wärme wird zeitlich gestreckt und gedämpft an den Raum abgegeben. Ein einfaches, aber wirksames Mittel gegen sommerliche Überhitzung der Räume (wie auch gegen eine vorzeitige Verwitterung der Fassaden) sind großzügig bemessene, konstruktive Verschattungen. Architekten, die Häuser ohne Dachüberstände schicker finden, planen stattdessen motorisch angetriebene Außenjalousien ein.

Neben dem Wärmeempfinden hat auch die relative Luftfeuchte einen großen Einfluss auf das Wohnklima. Auch hier gilt der Grundsatz gesundheitlich abträgliche Extreme zu vermeiden. Als ideal gilt eine Luftfeuchte von etwa 40 bis 60%. Bei sehr hohem Feuchtgehalt besteht das Risiko von Schimmelpilzwachstum, Milbenvermehrung und damit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auf zu trockene Luft reagieren die Schleimhäute und Atemwege wiederum sehr empfindlich. Diese Situation kann typischer Weise bei der Raumlüftung im Winter eintreten, wenn sich die kalte und damit trockenere Außenluft beim Eindringen in den Raum erwärmt und die relative Luftfeuchtigkeit dabei absinkt. Ein stetiger, hoher Luftaustausch (kontrollierte Wohnraumlüftung im Normalbetrieb) und – mehr noch – die Nacherwärmung der Zuluft  durch ein Klimagerät bewirken an kalten Tagen häufig ein zu trockenes Raumklima. Dem Zeitgeist entsprechend könnte man nun auch dieses Problem technisch und mit Energieaufwand lösen, indem man die zuvor mechanisch getrocknete Zuluft wieder befeuchtet.

Die geradezu zum Dogma hochstilisierte (oder eben missverstandene) Lehrmeinung, Häuser müssten heutzutage hermetisch luft- und dampfdicht gebaut und deshalb mit einer mechanischen Zwangsbelüftung versehen werden, hat in der Geschichte des Bauens noch keine lange Tradition. Sie ignoriert die Tatsache, dass die Mehrzahl der Menschen auch in den Jahrzehnten davor in ihren einfacheren Behausungen durchaus komfortabel gelebt haben, wenn auch nicht ganz so „energieeffizient“. Sie befördert insbesondere auch das Missverständnis, dass ein hohes Maß an Wohnhygiene in erster Linie eine Frage der adäquaten Technik ist. Dabei gerät häufig in Vergessenheit, dass schon bei der Wahl der Bauweise und der Baustoffe der Grundstein zu einem „Low-Tec-Komforthaus“ mit bester Wohnqualität (und im Übrigen auch guter Ökobilanz) gelegt werden kann.

Dampfdiffusionsoffene Wandkonstruktionen mit hygroskopischen, kapillaraktiven Bau- und Dämmstoffen tragen sowohl zur Regulierung der Raumfeuchte, als auch – bis zu einem gewissen Grad – zur Vermeidung von Bauschäden bei, in dem sie relativ viel Wasserdampf speichern, wieder abgeben und weiterleiten können. Hierzu zählen monolithisches Ziegelmauerwerk oder auch organisches Bau- und Dämmmaterial  (wie Holz bzw. Holzfaser und Zellulose). Für das Raumklima besonders wichtig sind dabei die raumseitigen Bauteilschichten. Besonders günstige Eigenschaften weisen hier Massivholz, Lehmputz und Kalkschlämmputz auf. Diese Materialien können außerdem Schadstoffe und Gerüche gut binden, beziehungsweise neutralisieren. Eine Behaglichkeit mit idealer Luftfeuchtigkeit und angenehmen Gerüchen trägt ihrerseits zu vernünftigem Lüftungsverhalten und damit zum Energiesparen bei.

Die Selbstregulierbarkeit hat aber Grenzen. Der diffusionsoffene Wandaufbau garantiert die ideale Luftfeuchtigkeit nicht in jeder Extremlage. In der Praxis bestätigt sich aber sein klimaregulierender Effekt ganz eindeutig. Ein kluges Maß an Belüftung lässt sich in der Regel auch ohne aufwändige, Energie konsumierende, elektronisch gesteuerte Haustechnik finden.

Text: Wolfgang Hilz    Grafiken: Wolfgang Hilz / Max Baud

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