Energiebilanz

… im Sonnenhaus. Ein Kapitel für den Energie-Fachmann


Die Gesamtenergieeffizienz beheizter Gebäude drückt sich im Primärenergiebedarf (Qp) aus, der auch die Bewertung des Energieträgers in seiner ursprünglichen Form berücksichtigt.
Die in den verbauten Materialien enthaltene „graue Energie“ (Ökobilanz) bleibt bei dieser Betrachtung noch außen vor.
Als bereits veredelte und von außerhalb der Systemgrenze Gebäude auftretenden Verlusten bereinig
te Energieform steht die Endenergie (QE) dem Verbraucher als Brennstoff und elektrischer Strom direkt zur Verfügung. Reduziert um die Wärmeumwandlungsverluste liefert der Heizkessel erhitztes Wasser an den Speicher (Wärmeerzeuger-Nutzenergieabgabe Qoutg). In diesen wird auch Sonnenergie eingespeist, die den Endenergieverbrauch entsprechend reduziert. Vom Speicher wird die Wärme zu den Verbrauchern (Warmwasserzapfstellen, Heizflächen) transportiert, wo sie als Nutzenergie zur Verfügung steht. Die Abwärme von Speicher und Rohrleitungen leisten nur dann einen Beitrag zur Raumheizung, wenn sie sich innerhalb der gedämmten Gebäudehülle befinden.

Der Heizwärmebedarf eines Gebäudes errechnet sich aus der Bilanzierung von Verlusten (durch Transmission und Lüftung) und internen Wärmegewinnen (durch Fenster und Abwärme von Personen und Geräten).

Der Warmwasserverbrauch kann mit überschlägig 50 Liter pro Person bei einer Zapftemperatur von 45 °C angesetzt werden. Der Anschluss von Wasch- und Spülmaschine an das solar erwärmte Warmwassernetz ist hierbei schon einkalkuliert. Bei größeren Leitungsnetzen (Mehrfamilienhäuser) müssen hygienische Vorschriften eingehalten werden. Die Zirkulationsverluste können hier erheblich zu Buche schlagen. Deshalb sollte bei der räumlichen Anordnung der Nasszellen auf möglichst kurze Leitungswege geachtet werden.

Wegen der besseren Vergleichbarkeit werden Energiekennwerte auf die beheizte Gebäudenutzfläche bezogen, was sich in dem Wort „spezifisch“ ausdrückt. So wird beispielsweise der Warmwasserverbrauch im Norm-Berechnungsverfahren der EnEV mit 12,5 kWh/m² angenommen. Der spezifische Heizwärmebedarf (qh), auch Energiekennzahl genannt, beträgt bei typischen Sonnenhäusern (ohne Lüftungsanlage) je nach Dämmstandard 30 bis 45 kWh/m²a. Der spezifische Endenergiebedarf für Wärme (qe), entscheidend abhängig vom solaren Deckungsgrad, liegt zwischen 0 und 40 kWh/m²a, der spezifische Primärenergiebedarf (qp) bei nur 5 bis 15 kWh/m²a .

Die Energieeffizienz des gesamten Heizsystems inklusive Bewertung des Energieträgers drückt sich in der sogenannten Anlagen-Aufwandszahl ep aus. Sie beschreibt das Verhältnis von Primärenergieaufwand zu Nutzenergie.

Nach dem Prinzip „wer Energie sät sollte mehr davon ernten“ kann nur ein Heizsystem mit erneuerbaren Energien eine Anlagenaufwandszahl unter 1 erreichen.

Die Effizienz eines Wärmeerzeugers wird durch die Wärmeerzeuger-Aufwandszahl beschrieben als das Verhältnis von Endenergie (Brennstoff- oder Stromeinsatz) zu Nutzenergieabgabe. Immer noch gebräuchlicher ist der Begriff Jahres-Nutzungsgrad, der nichts anderes als die Umkehrung dieses Verhältnisses bedeutet. Bei Wärmepumpen spricht man in diesem Zusammenhang von der „Jahres-Arbeitszahl

Eine Solarthermie-Anlage kann im Sonnenhaus pro eingesetzter Kilowattstunde Strom (für die Umwälzpumpe) 20 bis 40 mal so viel Wärmeenergie generieren, wie eine Wärmepumpe, die mit Netzstrom betrieben wird:

Solarertrag und solarer Deckungsgrad

Im Sonnenhaus wird die Solaranlage für die Heizperiode ausgelegt und ist daher für den Sommerbetrieb überdimensioniert. Die geringere Auslastung bedingt auch höhere, nicht nutzbare Wärmeverluste während dieser Zeit. Daher ist der Jahres-Bruttoertrag der Kollektoren keine hinreichend aussagekräftige Größe. Mehr interessiert der tatsächliche, verlustbereinigte Nutzertrag, den man sich, verglichen mit einem konventionellen Referenzsystem, anschaulicher als solare Nutzenergie-Einsparung vorstellen kann. Dividiert durch den Nutzungsgrad des Heizkessels (je nach Kesseltyp 0,75 bis 0,9) erhält man die einsparte beziehungsweise solarthermisch substituierte Endenergie (=Brennstoffenergie). Für den Anlagenbetreiber ist diese Größe deshalb am interessantesten, weil sie die energetische und finanzielle Auswirkung der Solarthermie-Anlage aufzeigt. Bezogen auf die Investitionskosten stellt sie auch eine wichtige Eingangsgröße für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen dar.

Der solare Deckungsgrad hat für den Anlagenbetreiber im Grunde eine geringere praktische Bedeutung, steht aber dennoch als „sportliche Größe“ mehr im Fokus. Zwei Gründe hierfür dürften sein, dass sich der Sonnenhaus-Standard über einen Mindest-Deckungsanteil von 50 Prozent definiert, und die vollständige Autarkie (100% Deckung) weitverbreitet als erstrebenswertes Maximalziel angesehen wird. Als problematisch und für einen fairen Wettbewerb der Systeme hinderlich erweist sich die anzutreffende Vielfalt an Definitionen und Berechnungsmethoden des solaren Deckungsgrades. So ist der Bezug auf die Relation der Jahres-Energieeinträge von Solaranlage und Zusatzheizung in den Speicher immer noch weit verbreitet [SD = Ssol / (Ssol + Saux)]. Er führt zu beschönigten Ergebnissen, weil die solar bedingten, vor allem im Sommer auftretenden, nicht nutzbaren Wärmeverluste hier unzulässiger Weise einseitig den Solarerträgen gutgeschrieben werden. Seriöser ist es, den oben erwähnten solarthermisch substituierten Endenergieverbrauch ins Verhältnis zum Endenergieverbrauch des Referenzsystems (ohne Solar) zu setzen. Der so berechnete „Netto-Deckungsgrad“ wird auch als anteilige Energieeinsparung bezeichnet: fsav = (QE,ref – QE) / QE,ref (mit: QE = Endenergie des Systems mit Solaranlage; QE,ref = Endenergie des Systems ohne Solaranlage).

In der Solarsimulation behilft man sich hinreichend genau mit einer Doppelsimulation: im ersten Durchlauf bleibt die Solarpumpe eingeschaltet im zweiten wird sie ausgeschaltet. Dann werden die Endenergieverbräuche verglichen und entsprechend ins Verhältnis gesetzt.

Je größer man die Solaranlage dimensioniert, umso mehr Energie wird eingespart. Jedoch steigt der Zuwachs dieses Nutzens nicht linear, sondern gemäß dem „Gesetz des sinkenden Grenzertrags“. Wegen der geringeren Auslastung der Solaranlage wird also bei höheren Deckungsgraden pro qm Kollektorfläche weniger Energie geerntet. Solarer Deckungsgrad und spezifischer Solar-Nutzertrag verlaufen antizyklisch, wie das folgende Diagramm zeigt:

Drei Einfamilienhäuser gleicher Größe (ca. 160 m² Wohnfläche, 4-Personenhaushalt) mit unterschiedlichen Energiestandards (Heizwärmebedarf HWB), ideale Kollektorneigung nach Süden, mittlerer Klimastandort in Deutschland (z.B. Würzburg)
SHI_Energieflussdiagramm_2
Ablesebeispiel:   35 qm Brutto-Kollektorfläche > Speichergröße ca. 35 x 150 = 5250 L

   > Haus mit 9000 kWh/a Heizwärmebedarf (Effizienzhaus 70)
   > solarer Deckungsgrad SD = 60% (= relative Energieeinsparung)
   > spezifische Endenergieeinsparung: 270 kWh/m²a
   > absolute Endenergieeinsparung: 270 x 35 m² = 9450 kWh


Ökobilanz und „graue Energie“

Die energetischen Anforderungen an neu zu errichtende Gebäude verschärfen sich in atemberaubender Geschwindigkeit. In wenigen Jahren wird nur noch von „Nahezu-Nullenergie-“ bis „Plusenergie“-Standards die Rede sein. Betrachtet wird dabei nach wie vor immer nur der Energieeinsatz für den Gebäudebetrieb, also für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom. Wie sieht es aber mit der „grauen“ Energie aus, die  bei der Errichtung und späteren Instandhaltung in der Gebäudesubstanz und Haustechnik steckt ? Diversen Studien zu folge fällt sie bei herkömmlichen Häusern im Vergleich zur Betriebsenergie noch nicht so dominant ins Gewicht. Diese Gewichtung verschiebt sich aber bei extrem sparsamen Gebäuden, deren minimaler Primärenergiebedarf letztlich nicht ohne wesentlich höheren Materialeinsatz (für Dämmstoffe, Lüftungsanlagen, Solaranlagen, etc.) zu „erkaufen“ ist. Solares Bauen ohne ganzheitliche Beachtung dieser grundsätzlichen Problematik wäre alles andere als konsequent und glaubwürdig. Die Erstellung einer Ökobilanz für ein Gebäude ist freilich ein sehr kompliziertes Unterfangen. Sie untersucht potentielle Umweltwirkungen der verbauten Produkte auf ihrem gesamten Lebensweg, von der Herstellung über den Transport, Einbau, der Instandhaltung bzw. Erneuerung bis hin zur Entsorgung. Die absolute Quantifizierung ist äußerst schwierig und hängt nicht zuletzt von einer sinnvollen Festlegung der Systemgrenzen ab. In wissenschaftlichen Studien über die Ökobilanz von Gebäuden beschränkt man sich in der Regel auf die Bilanzierung des Primärenergieaufwandes. Dabei werden die Energieaufwendungen für die Erstellung und alle Unterhalts- und Ersatzmaßnahmen während der Lebensdauer zusammengezählt und auf die Gebäude-Lebensdauer und die Energiebezugsfläche bezogen. So ergibt sich ein durchschnittlicher jährlicher Bedarf an grauer Energie, der in Relation zum jährlichen Betriebsenergiebedarf (Heizung, Warmwasser, Geräte) gesetzt werden kann. Bei der gesamtökologischen Bewertung von Solaranlagen kommt darüber hinaus auf der „Habenseite“ die gewonnene Nutzenergie ins Spiel. Sie sollte deutlich höher ausfallen als der nicht erneuerbare Energieeinsatz (graue Energie + Betriebsenergie). Kenngrößen hierfür sind der Erntefaktor oder die Energierücklaufzeit, auch „energetische Amortisationszeit“ genannt. Aktuellen Studien zu folge liegt sie bei üblichen solarthermischen Kombianlagen bei etwa 3 bis 4 Jahren. Sie kann aber bei überdimensionierten Hochdeckungsgrad-Anlagen, die nur einen verhältnismäßig geringen spezifischen Nutzertrag erwirtschaften auf bis zu 10 Jahre anwachsen. Da bei den wichtigsten und größten Solarkomponenten (Kollektoren, Speicher, Rohrleitungen) von einer Lebenserwartung von mehr als 30 Jahren ausgegangen werden kann, fällt die Ökobilanz großer thermischer Solaranlagen auch dann noch deutlich positiv aus. Es zeigt sich aber auch, dass der solare Deckungsgrad keine geeignete ökologische Bewertungsgröße ist. Für die Ökobilanz bedeutender ist die auf den Materialaufwand bezogene solare Energieeinsparung. Sie steigt einerseits mit der Auslastung und Effizienz der Anlage. Andererseits besteht die Herausforderung der Zukunft darin, Materialien mit deutlich geringerem Primärenergie-Inhalt zu entwickeln und zu verbauen, als dies beispielsweise bei Aluminium, Kupfer oder Edelstahl der Fall ist. Dies gilt ganz allgemein auch für Bauteile und Baustoffe aller Art, wobei natürlich auch deren Lebensdauer eine große Rolle spielt. Aus Sicht des Planers sind ein Mindestmaß an angewandtem Grundlagenwissen über den Energieinhalt der Baustoffe und die intuitive Wahl „natürlicher“ Materialien (überall dort wo sich diese Alternative bietet) ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Energiefresser“ sind vor allem Metalle und geschäumte Dämmstoffe (von denen einige darüber hinaus toxisch belastet sind). Ein Massivbau beinhaltet allein schon wegen der höheren Materialdichte etwa 20 bis 30% mehr graue Energie als ein Leichtbau mit ökologischen Dämmstoffen. Wenn er dafür länger lebt, kann sich das teilweise wieder ausgleichen. Im Gebäudebestand stellt sich oft die Frage, ob saniert oder abgerissen und neu gebaut werden soll. In der Regel erweist sich die Erhaltung und Sanierung einer bestehenden Bausubstanz wesentlich umweltschonender.

Text: Wolfgang Hilz   Grafiken: Wolfgang Hilz / Max Baud

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