Dass im Handwerk und insbesondere am Bau eklatanter Fachkräftemangel herrscht, ist keine neue Erkenntnis mehr. Vorschläge, wie man effizient gegensteuern könnte, sind ebenfalls Mangelware.
Auch der Sonnenhaus-Bau leidet unter dieser Entwicklung. Viele Firmen haben schlicht keine Kapazitäten mehr, um sich über Standardlösungen hinaus mit „Sonderthemen“ zu beschäftigen. Als Architekt kennt unser Vorstandsmitglied Bernd Kerscher die Probleme, die daraus tagtäglich für Bauprojekte resultieren. Egal ob Neubau oder Sanierung, konventionelle Projekte oder Sonnenhäuser: Handwerkspartner aller Sparten sind schwer zu bekommen, die Preise gehen hoch und zusammen mit teilweise akuten Beschaffungsproblemen im Materialbereich sorgt diese Situation allerorten für schwierige Terminplanungen sowie chronisch überzogene Budgets.
Grundlegendes müsste passieren, um für Besserung zu sorgen. Aber was? Und wie soll in Anbetracht eines solchen Szenarios die Herausforderung einer energetischen Wende im Gebäudebereich gelingen?
Problembereich Heizungsbau
Bernd Kerscher hat sich Gedanken gemacht. Im Zentrum seiner Analyse steht folgender Zusammenhang: Der Bedarf an Fachwissen, bestens ausgebildeten Fachkräften und ständiger Weiterbildung ist wohl nirgends so hoch wie bei den Heizungsbau-Betrieben. Da ist es kein Wunder, dass der Fachkräftemangel hier enorm ist. Andererseits stoßen Architekten, so weiß Kerscher aus eigener Erfahrung, als Planer und Koordinierende mittlerweile schnell an Grenzen und auf Probleme, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Fachleute, Hersteller und Handwerker für eine energetische Versorgung eines Bauwerks „unter einen Hut“ zu bekommen. Dies um so mehr, als heute eine Sektorenkopplung (Stichwort: „Wärme – Strom – Mobilität“) eigentlich bei jedem Bauwerk zum tragen kommt und verschiede Handwerkssparten eng verzahnt zum Teil neueste und komplexe Technik für den Bauherrn als eine funktionierende Einheit abliefern müssen.
„Gebäudeeffizientechniker“ als Schnittstelle
Kerscher führt ständig Gespräche mit anderen Akteuren am Bau und sieht seine Wahrnehmungen und Analyse bestätigt. Seine Lösungsidee: ein neues Berufsbild muss her, das den klassischen HS- und Elektro-Handwerker ergänzt durch einen Spezialisten für Energietechnik analog etwa dem „Mechatroniker“ im Automobilsektor. „Gebäudeeffizienztechniker“ könnte sich dieses Berufsbild nennen und neue Standards auch im Ausbildungsbereich setzen, weil es entscheidendes Wissen und Können bündelt. Wichtig für Planer und Bauherren ist es, letztlich einen Ansprechpartner für die gesamte Energietechnik zu haben, vor allem auch im Nachgang während der Gewährleistungszeit.
Gleichzeitig würde es dem Beruf damit auch ein neues Image verschaffen, denn es geht ja nicht zuletzt darum, dass junge Menschen hier ein chancenreiches Berufsfeld für die Zukunft sehen und sich hier einbringen wollen.
Vorschläge an Verbände in München
Bernd Kerscher hat hierfür im November ein gemeinsames online-meeting mit den relevanten Organisationen initiiert. Beteiligt waren die Handwerkskammer München, der SHK Fachverband Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik München, die Elektroinnung München sowie Vertreter aus der Erwachsenenbildung. Die Teilnehmer waren für Kerschers Idee und Argumentation sehr aufgeschlossen.
Auch die Idee, freiwerdende Fachkräfte aus anderen Sparten zur Umschulung anzuwerben fand Aufmerksamkeit. Kerscher denkt hier vor allem an die Automobilindustrie. Seine Überlegung: wenn in absehbarer Zeit statt komplexer Verbrennermotoren ausschließlich relativ simple Elektroaggregate produziert werden, gäbe es doch eine Menge an hochqualifizierten Mitarbeitern aus dem Motorenbereich, für die ein neues Berufsfeld willkommen sein sollte.
Unsere Initiative soll weiterverfolgt werden
Die Handwerkskammer hat sich im Nachgang bei Kerscher zurückgemeldet und bestätigt, dass seine Vorschläge für eine Modernisierung des Berufsbildes in den zuständigen Fachausschüssen der HWK weiterverfolgt werden sollen. Zudem soll in die Bundesverbände getragen weiter diskutiert werden, wie fachübergreifend gemeinsame Ausbildungsmodule realisiert werden können.
Natürlich kann niemand erhoffen, dass daraus eine kurzfristige Initiative erwächst, die für schnelle Abhilfe beim Fachkräftemangel sorgt. Dennoch hat Kerschers Vorstoß im Namen des SHI vielleicht dazu beigetragen, die ersten Millimeter eines dicken Bretts aufzubohren. In jedem Fall, sehen wir diese Initiative als engagiertes Denken „über den eigenen Tellerrand“ hinaus.