Für Bernd Jarczewski, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft mbH Oranienburg (WOBA), war es ein Moment der Erleichterung. Trotz der aktuellen Einschränkungen und Grenzsperrungen wurden am Mittwoch, 25. März 2020, die Wärmespeicher für die beiden energieautarken Mehrfamilienhäuser, welche die WOBA aktuell baut, aus der Schweiz angeliefert und aufgestellt. Das Bauvorhaben ist nicht nur im Landkreis Oberhavel, sondern auch bundesweit in dieser Form noch äußerst selten. Die WOBA wird den Mietern der 14 neuen Wohnungen in der Gartenstraße 14 in Oranienburg eine Pauschalmiete inklusive „Energieflat“ anbieten. Möglich machen dies die großen Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen, die mit Wärme- und Stromspeichern in den Gebäuden gekoppelt sind. Die etwa acht Meter hohen Solarwärmespeicher sind das Herzstück des Energiekonzeptes. „Auf die geplante feierliche Speichertaufe haben wir verzichtet, aber wir sind sehr froh, dass es mit dem Bau wie geplant weitergehen kann“, sagt Jarczewski.
„Als Wohnungswirtschaftler beschäftigen wir uns schon seit langem damit, wie Häuser künftig mit Strom und Wärme versorgt werden können. Besser, als die Sonne zu nutzen, geht es ja kaum.“ So erklärt Jarczewski die Entscheidung für das innovative Bauprojekt, bei dem die klimafreundliche und kostengünstige Solarenergie im Mittelpunkt steht.
Jarczewski ist durch die Pilotprojekte in Cottbus auf das Energiekonzept von Leukefeld aufmerksam geworden. „Das war die Initialzündung“, erinnert er sich. In der Stadt in der Lausitz hat die Wohnungsgenossenschaft eg Wohnen zwei energieautarke Mehrfamilienhäuser gebaut, die im Dezember 2018 bezugsfertig waren. Zusammen mit einem Mehrfamilienhaus gleicher Bauweise in Wilhelmshaven sind dies die ersten Mehrfamilienhäuser dieser Art in Deutschland.
Hohe Autarkie bei Wärme und Strom dank Solarenergie
Das Energiekonzept geht auf das Sonnenhaus zurück. Als solches werden Gebäude bezeichnet, bei denen mindestens die Hälfte des Wärmebedarfs für die Raumheizung und Warmwasserbereitung solar gedeckt wird. Bei den Mehrfamilienhäusern in Oranienburg war aber das Ziel, sowohl in der Wärme- als auch in der Stromversorgung einen hohen Anteil an Solarenergie zu erreichen. Auch die Elektromobilität ist Teil des Gesamtkonzeptes. „Das macht das Konzept höchst ökologisch“, betont Prof. Timo Leukefeld, Energieexperte aus Freiberg, der das Energiekonzept für die energieautarken Mehrfamilienhäuser geplant hat. Mit seinem „Autarkie Team“ ist er hierauf spezialisiert.
Zu dem umweltfreundlichen Energiekonzept trägt auch die monolithische Bauweise bei. Die Außenwände werden einschalig gemauert und von innen und außen verputzt. Durch die hohe Dämmfunktion der Ziegel ist keine zusätzliche Dämmung wie Styropor nötig. Denn damit ein Großteil der benötigten Energie solar gedeckt werden kann, muss erst einmal der Wärmebedarf im Gebäude reduziert werden.
Wärmeversorgung zu 60 Prozent, Stromversorgung zu 70 Prozent solar
Die Energie für die Wärmeversorgung in den Mehrfamilienhäusern wird zu rund 60 Prozent solar erzeugt. Wie dies technisch umgesetzt wird, zeigt das Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen. Auf dem nach Süden orientierten Dach werden 69 Quadratmeter Solarkollektoren installiert. Solarwärme, die nicht direkt für die Warmwasserbereitung oder Raumheizung benötigt wird, kann in einem Langzeit-Wärmespeicher mit 18 Kubikmeter Fassungsvermögen zwischengespeichert werden. Wenn im Winter nicht genügend Solarwärme erzeugt wird, springt eine Gasbrennwerttherme ein. Für die geschätzten 15.600 kWh Erdgas pro Jahr fallen Kosten von rund 900 Euro an. Auf acht Wohnungen gerechnet ist das minimal.
Die Stromversorgung soll zu rund 70 Prozent solar erfolgen. Hierfür werden auf dem Dach und an der Fassade Photovoltaik-Module mit einer Gesamtleistung von 36,4 kW installiert. Für die Zwischenspeicherung werden Lithium-Ionen-Akkus mit 42 kWh Speicherkapazität eingebaut. Das zweite Mehrfamilienhaus hat das gleiche technische Konzept. Da es mit sechs Wohnungen kleiner ist, sind die Anlagen entsprechend kleiner dimensioniert.
Durch die hohen Anteile an Solarenergie sind die Strom- und Wärmekosten langfristig niedrig, stabil und planbar. „Das macht es uns möglich, eine Pauschalmiete anzubieten“, sagt WOBA-Geschäftsführer Jarczewski. In dem Mietpreis werden die Kosten für Wärme und Strom enthalten sein. „Unsere Mieter brauchen keine Angst vor den Nebenkosten und den aller Wahrscheinlichkeit steigenden Energiekosten zu haben.“ Als Extra können sie die Akkus von Elektroautos an Ladepunkten auf dem Gelände mit Solarstrom laden.
Jarczewskis Wohnungsunternehmen andererseits spart Zeit für die Nebenkostenabrechnungen ein. Vor allen Dingen aber kann die WOBA ihren Mieter attraktiven Wohnraum offerieren, der mit seinem ökologischen Konzept schon jetzt für erste Anfragen gesorgt hat. Timo Leukefeld sieht in solchen Energiekonzepten die Zukunft für Wohnungsunternehmen. „In Zeiten der Energiewende und des Klimawandels haben alte Bauweisen mit konventioneller Energieversorgung keine langfristige Perspektive mehr. Wohnungsunternehmen wie die WOBA in Oranienburg entscheiden sich jetzt schon für eine zukunftsfähige Bauweise und heben sich von Mitbewerbern ab.“
Weitere Informationen:
Timo Leukefeld: www.timoleukefeld.de und www.autarkie.team
WOBA Oranienburg: www.woba.de
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